Einführung in die Kunstgeschichte (Studium kompakt) by Sergiusz Michalski
Autor:Sergiusz Michalski [Michalski, Sergiusz]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783534739950
Herausgeber: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
veröffentlicht: 2015-10-31T23:00:00+00:00
Abb. 13: Frans Francken der Jüngere, Galerieinterieur, um 1630, Madrid, Prado
Gemalte Schattenwürfe
Dass innerhalb von drei Jahren (1995–1997) drei führende Kunsthistoriker, nämlich Baxandall, Gombrich und Stoichita, größere Abhandlungen über das Problem des Schattens in der Kunst verfasst haben, ist ein besonders eindrucksvoller Beweis für die neuen Bewegungen und Verlagerungen im methodischen Feld des Faches. Ein gemeinsames Charakteristikum aller drei Arbeiten ist, dass sie entschieden über die alten, naturalistischen Auffassungen von gemalten Schattenwürfen als Indikatoren der Kunstfertigkeit des Malers im technischen Sinn hinausgehen. Die Schattendarstellungen werden mit dem Begriff der Projektion, des Doppelgängers, der Widerspiegelung, und weitergehend mit den Mythen über die Schattenprofilzeichnung als dem Ursprung jeglicher Kunstausübung, aber auch mit Abbildungstheorien ästhetischer, literarischer und philosophischer Art verbunden.
Spiegelungen
Die metapikturalistisch interessierte Kunstgeschichte hat sich in den letzten Dezennien neben Schattenwürfen auch stark für gemalte Spiegel und Spiegelungen und deren paradoxe Bildhaftigkeit und Bildraumfunktionen interessiert. Das Interesse für die gemalten Spiegel beinhaltet sowohl methodische wie auch visuell-ästhetische Aspekte. Einiges spricht dafür, dass gemalte Spiegel und Spiegelungen als metapikturale Zeichen dem besonderen Lebensgefühl und Stil der Zeit nach 1980 entsprechen.
Pygmalion-Effekt
1977 eröffnete ein bahnbrechender Aufsatz des Schweizer Kunsthistorikers Oskar Bätschmann ein neues Forschungsfeld der Kunstgeschichte, das bis heute vor allem in methodischer Hinsicht von Bedeutung ist: Bätschmann wies darauf hin, dass das in der Malerei des 18. Jahrhunderts populäre Thema des Pygmalion (Abb. 14) durch die Paradoxien und Probleme der malerischen Darstellung des Belebungsversuches einer Statue im Bild einen engen Bezug zu einer ganzen Reihe paratheatralischer Phänomene im Bereich der lebenden Bilder (tableaux vivants) wie auch die der statuarischen Posen (poses plastiques) und schließlich der Attitüden (attitudes) aufweist, die an der Grenze zwischen Malerei und Theater angesiedelt sind (Bätschmann 1977). Besonders der Begriff der lebenden Bilder erhielt – sowohl als reales Phänomen der Kulturgeschichte des 18. und frühen 19. Jahrhunderts aber auch als Grenzphänomen zwischen den beiden Disziplinen – eine Bedeutung, die im 20. Jahrhundert auf das Medium der Photographie übertragen wurde. Wenn Photographien in der Art von Cindy Sherman Posen von Kunstwerken nachahmen, die ihrerseits auf Inspirationen theatralischer Posen zurückgehen, kommt es zu einer faszinierenden historisierenden Mischform, deren Brechungen sehr genau die Abgrenzungen zwischen den einzelnen Gattungen anzeigen, und dadurch die verschiedenen Aspekte der innerbildlich und außerbildlich zur Schau gestellten Repräsentation anzeigen. Insofern hat die von Oskar Bätschmann initiierte Forschungsrichtung einen wichtigen Beitrag zur kunsthistorischen Debatte um die Paradoxien der Darstellung und deren Beobachtung geliefert (u.a. Stoichita 2011).
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